Mit dem Herdorfer Kriegerverein und dem Tambourkorps des Turnverein Jahn besuchte die Kapelle 1926 das große Kriegerverbandsfest in Altenkirchen. Der alte Generalfeldmarschall August von Mackensen (1849-1945) nahm, in der Uniform der Totenkopfhusaren, die Parade ab. Er begrüßte persönlich Kapellmeister Aloys Stinner und Tambourmajor Hermann Stockschläder und sprach sich lobend über die Leistung von Kapelle und Tambourkorps aus.
In dieser Zeit machte die Kapelle mehrere Ausfl üge an den Rhein und auf den Hunsrück und erntete bei ihren musikalischen Darbietungen überall großen Beifall. Nun kamen die Jahre, in denen auch die Herdorfer Bevölkerung sehr unter der Arbeitslosigkeit zu leiden hatte. Die Musiker hatten zwar genug Zeit zum Proben, aber davon wurden ihre Familien nicht satt. Sie wurden sich darüber einig, innerhalb der Kapelle mehrere kleine Gruppen zu bilden und ihr Glück als Bettelmusikanten zu versuchen.
Die Reisen dieser Regenmusiker, wie sie im Volksmund genannt wurden, dehnten sich über Westerwald, Sauerland, das gesamte Hessenland, die Pfalz, ja sogar über den Main bis nach Bayern aus. Die einzelnen Gruppen blieben oft wochenlang aus. Nur die in Herdorf regelmäßig eintreffenden Ansichtskarten zeigten den Angehörigen, wo sich Vater oder Söhne auf ihrer musikalischen Hamstertour aufhielten. Die Ausbeute an Geld und Naturalien soll jedoch nie groß gewesen sein. Auf einer dieser Reisen ist der Musiker Franz Brenner im Main ertrunken.
In dieser Notzeit wanderten die Musiker Richard Panthel, August Stinner, Franz Stinner, Josef Latsch, Josef Hellinghausen, Fritz Ermert, Felix Mertens, Willi Schönfelder, Leo Schlosser und etwas später noch fünf weitere Musiker nach Amerika und Südwestafrika aus. Der Bestand der Kapelle war wohl vorübergehend etwas gefährdet, aber es waren immer wieder neue Musikschüler da, welche die Instrumente der Auswanderer übernahmen und dieselben bald vollwertig ersetzten. Viele der Auswanderer fanden in ihrer neuen Heimat schnell Zugang zu den dortigen Musikkapellen.
In den Jahren des Hitlerregimes hatte die politisch neutrale Kapelle oft um ihren Bestand kämpfen müssen. Im Jahre 1938 wollte die Kapelle das Fest ihres 50jährigen Bestehens besonders eindrucksvoll begehen. Wegen ihrer angeblichen politischen Unzuverlässigkeit erhielt die Kapelle keine Genehmigung für eine größere Festveranstaltung. Nach mehrmaliger Vorsprache genehmigten die Behörden, dass das goldene Jubelfest im Rahmen einer Familienfeier im Vereinslokal begangen werden durfte.
Im März 1939 wurden von der Ortsgruppenleitung der NSDAP sämtliche Herdorfer Musiker zu einer Versammlung in den Knappensaal einberufen. Dem alten Kapellmeister Aloys Stinner wurde eine anti-nationalsozialistische Haltung vorgeworfen und anheim gestellt, die schwarzen Bergmannsuniformen auszuziehen und in brauner Uniform aufzutreten. Im Namen der Kapelle lehnte Aloys Stinner diesen Vorschlag ab und erklärte wörtlich:
Ich habe mit meiner Kapelle gar vielen Stürmen getrotzt und das Vereinsschiffl ein um manche Klippe herumgeführt und mit Gottes Hilfe werden wir auch diesen Sturm überstehen.
Im August 1940 wurden die Bollnbacher Bergkapelle und der Herdorfer Musikverein zur Herdorfer Volkskapelle zusammengeschlossen. Kapellmeister Stinner leitete noch einige Proben mit der Volkskapelle und zog sich dann, mit mehreren älteren Musikern der aufgelösten Bergkapelle, vom aktiven Musikleben zurück.